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Porträt des Monats Mai 2023

Der DAAD fördert am Institut Supérieur des Langues der Universität Gabès ein Lektorat an der Deutschabteilung.

© DAAD/Privat

Im Februar 2023 trat Lisa Severin als neue Lektorin ihren Dienst an.

  1. Kannst du dich kurz vorstellen?

Hallo, mein Name ist Lisa, meine Freundinnen und Freunde nennen mich auch Lisi. An der Universität höre ich auf Madame Severin. Seit Herbst letzten Jahres bin ich dreißig Jahre alt. Da ich im Oktober geboren bin, ist mein Sternzeichen „die Waage“ – was mich als Typ Mensch sehr gut widerspiegelt: Alles muss stets in Balance bleiben, ich selbst und unbedingt auch die Welt um mich herum. Diese Lebensphilosophie hat mich vermutlich auch dazu gebracht mit unterschiedlichen Menschen arbeiten zu wollen – daher bin ich Deutsch als Fremdsprachen-Lehrerin geworden.

Gebürtig komme ich aus dem Allgäu, einer kleinen Region in Bayern, also Süddeutschland. Neben meinen Eltern gibt es noch drei Geschwister – ich wurde in einer Familie groß, in der Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und Humor an erster Stelle standen. Diese Werte vertrete ich bis heute.

Mein Studium durchlebte ich in München an der LMU. Dort studierte ich Nordische Philologie und Deutsch als Fremdsprache im Bachelor und Master. München ist seit 11 Jahren mein Zuhause geworden – natürlich mit zwischenzeitigen Unterbrechungen, da ich sehr schnell bemerkte, dass die Welt viel größer ist als die Landeshauptstadt München. Ich fing an zu reisen und mit meinen Reisen und meiner Liebe zur Welt und der Arbeit mit Menschen kam der Deutsche Akademische Austauschdient ins Spiel: Ausland und Arbeit in Einem! Mein erster Unterricht, ich erinnere mich noch genau, war an der Universität in Maputo, Mosambik. Anschließend lebte ich in Kirgisistan, Zentralasien, unterrichtete während Corona online für die Universität in Teheran, Iran und landete letztendlich nun hier: in Tunesien.

  1. Inwiefern können die Studierenden vom Austausch mit internationalen Dozierenden im Studium profitieren?

Natürlich lernt sich eine Fremdsprache besser, sobald die Möglichkeit besteht, diese auch live anwenden zu können und das am besten mit einer Muttersprachlerin oder einem Muttersprachler. Solange man das Hintergrundwissen hat, auf seine eigene Sprache zurückgreifen zu können, weil der Lehrkörper, diese auch spricht, wird man das auch zwangsläufig tun. Gastlehrende aus Deutschland bringen aber zusätzlich einen besonderen Vorteil für die Sprachpraxis.

Als Dozentin für deutsche Sprache und Kultur sehe ich mich gerne als eine Brückenbauerin zwischen zwei Ländern – die Studierenden haben die Chance näher an meiner Kultur zu sein. Ich hingegen lerne von meinen Studierenden viel von ihrer Kultur. Es geht hierbei vor allem um Sensibilität und Empathie – wenn diese zwei Schlüsselkriterien zusammenfließen, gelingt auch ein Dialog zwischen den Welten.

Ich selbst muss gestehen, dass ich keinen tunesischen Dialekt spreche – doch sehe ich das nicht als Nachteil, sondern vielmehr als gewinnbringend: Die Studierenden müssen mir zwangsläufig Dinge erklären, Aspekte miteinander vergleichen und durch eigene Reflexion und ein offenes Bewusstsein sprachliche Gegebenheiten, Grammatik und natürlich auch kulturelle Gepflogenheiten erläutern. Auch hierbei lernen die Studierenden – wobei das nicht heißen soll, dass ich nicht bestrebt bin, tunesischen Dialekt zu erlernen.

Etwas Fremdes kennenzulernen, bedeutet letztendlich auch sich selbst weiterzubilden, sich zu entwickeln und über den Tellerrand hinauszuschauen. Und was kann es Schöneres geben als zu lernen, sein Gegenüber und dabei auch sich selbst besser zu verstehen. Und zu viel Wissen gibt es bekanntlich nicht. Erst durch den Vergleich kann klarer im Leben verstanden werden: Das Eigene und das Fremde – dies im stetigen Diskurs.

  1. Welche Akzente möchtest Du in deinem Unterricht setzen und gibt es besondere Methoden, die du dafür verwendest?  

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich die Arbeit mit Menschen, insbesondere Kindern und jungen Leuten, liebe. Zudem denke ich, dass die Schule und die Universität der Ort Number One sind, an dem man, neben dem geschlossenen Kreis der Familie und dem Netzwerk an Freundinnen und Freunden, am meisten Zeit verbringt. Das heißt, diese Orte sollten geschützte Orte sein, am besten für alle Menschen unter gleichen Voraussetzungen zugänglich, an denen Bildung, Moral und menschliche Etikette ihren Platz finden.

Begrenzen wir uns nun auf die Universität, vor allem das Institut Supérieur des Langues in Gabès: Ein Ort, an dem Unterrichtet stattfindet – das heißt gelehrt und gelernt wird – diskutiert, philosophiert und geforscht wird.

Mein Grundsatz seit Beginn meiner Zeit als Lehrerin ist: „Finde einen gesunden Weg für deine Lernenden eine Mischung aus Respektperson und Freundin zu sein!“ Um ernst genommen zu werden, braucht es eine gewisse Achtung – dies geschieht durch verlässliche Strukturiertheit, Klarheit und vielleicht auch der Art des Auftretens, der so genannten Aura. Doch um die jungen Menschen „abzuholen“, sie zu „catchen“ und sie zu begeistern, braucht es mehr: Ehrlichkeit, Transparenz, Verständnis und – ich für meinen Teil, wie ich finde – ein Quäntchen Humor. Ich möchte meine Schützlinge begeistern und sie motivieren – vor allem, wenn es darum geht, starre Unterrichtsdynamiken und Methoden zu durchbrechen. Jeder von uns kennt das: Spaß am Lernen spornt uns an.

Zudem ist es mir ein inneres Anliegen, den Studierenden die Angst zu nehmen – ich wünsche mir natürlich, dass keiner nervös und mit Schweißperlen auf der Stirn zur Prüfung oder einem Referat erscheinen muss. Und wer das doch tut, dem helfe ich dabei die Angst zu lösen. Denn wir sind alle Menschen und trotz Lehrer-Schüler-Hierarchie, tragen wir doch das Herz alle am rechten Fleck.

  1. Was reizt dich besonders an Gabès?

Mhmmm, das ist eine schwere Frage, die ich ehrlich gesagt nicht auf einen Satz beschränken kann, aber ich versuche es trotzdem so gut es geht zusammenzufassen: Zunächst möchte ich sagen, dass ich durch den Job hier das erste Mal überhaupt nach Tunesien kam. Es war also zu Beginn meiner Unterrichtszeit alles noch recht neu. Mittlerweile lebe ich schon eine Weile hier und habe auch einen guten Vergleich mit anderen Städten innerhalb des Landes bekommen. Vergleicht man Gabès nur einmal mit der Hauptstadt Tunis, so reizt mich hier in Gabès vermutlich am meisten das Leben und die Einwohnerinnen und Einwohner. Anders als in großen Städten, in denen vieles individualisiert ist und man mehr an sich als an seinen Nebenmann denkt, ist das hier so vollkommen anders: Hier steht die Gemeinschaft im Vordergrund. Jeder kennt jeden, jeder weiß in seiner Siedlung von seinen Mitmenschen, man hilft einander und hört einander zu. Für einen Plausch auf der Straße ist immer Zeit und wenn man diese nicht hat, so nimmt man sie sich. Irgendwie alles doch wie in einem Dorf, eben nur als Stadt. Zudem liegt Gabès am Meer und ist ein Ausgangspunkt für alle drei Landschaftsbilder Tunesiens: das Wasser im Osten, die Berge im Süden und die Wüste im Westen. Was will man also mehr?

Ich fühle mich sehr wohl hier und neben leckeren Datteln auf dem Markt, Fisch vom Hafen, blühenden rot-lila Hecken und frischem Orangensaft, sind es doch immer wieder die Menschen, die diese Stadt kennzeichnen. Und nicht zu vergessen: Die Oase, ein grüner Zufluchtsort, wenn mal doch alles zu viel wird und das Heimweh nach Deutschland an der Tür klopft. Ich für meinen Teil, bin sehr dankbar hier zu leben, vertrete ich doch die Meinung, in einer kleineren Stadt tiefer in die Kultur des Gastlandes eintauchen zu können als in der Hauptstadt oder in größeren Städten im Allgemeinen. Jeden Tag lerne ich Neues, treffe auf neugierige Augenpaare und interessierte Mienen und wenn ich mal nicht weiterweiß, wird mir mit einem Lächeln und großer Geduld der nächste Weg gezeigt.

Der Anfangsbuchstabe G in Gabès steht für mich für Gemeinschaft!

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